Brandkatastrophe mit voll beladenem Tanklastzug vor 50 Jahren

Eine Brandkatastrophe erschütterte am 6.Oktober 1972 den Ort – Feuerwehr Hetzerath bestreitet ihren größten und gefährlichsten Einsatz

von Monika Traut-Bonato

Noch heute können sich viele ältere Hetzerather an das wohl gefährlichste Unglück im Dorf erinnern, das vor 50 Jahren Schlagzeilen machte. Ein voll beladener Tanklastzug stürzte in den frühen Morgenstunden in der Kurve Kirchstraße/Klüsseratherstraße um und fing Feuer. In nur wenigen Minuten griffen die Flammen auf zwei Wohnhäuser über. Nur mit viel Glück überlebten die acht Bewohner der Häuser, unter ihnen vier Kinder im Alter von acht Monaten bis neun Jahren. Die Feuerwehr war schnell vor Ort und verhinderte eine Katastrophe.

Am 6. Oktober 1972, einem  Freitagmorgen um 5.40 Uhr, gingen in Hetzerath plötzlich die Sirenen los. Zu dieser Zeit befanden sich die meisten Einwohner noch in ihren Betten oder machten sich gerade zur Arbeit fertig. Ein Glück für den Ort, denn die Männer der Freiwiligen Feuerwehr Hetzerath waren alle noch zuhause. Innerhalb kurzer Zeit rückten sie aus zum frühen Einsatz. Was war passiert? 

Einem mit 28.000 Litern vollbeladenen Tankwagen aus Richtung Wittlich kommend war ein Reifen geplatzt, er kippte in der Kurve Kirchstraße – Einfahrt Klüsseratherstraße um und schlug auf dem Bordstein auf. Einer der vier mit Benzin gefüllten Behälter wurde dabei beschädigt, Benzin lief aus und fing sofort Feuer. In nur kurzer Zeit standen der Lastzug und die angrenzenden Wohnhäuser unter Flammen. 

Einem Bäckerlehrling in der angrenzenden Bäckerei ist zu verdanken, dass die Brandkatastrophe nicht auch noch zu einer menschlichen Katastrophe wurde. Er hatte gerade erst seine Arbeit aufgenommen und zufällig durch ein Fenster beobachtet, wie der Tanklastzug in der Kurve umkippte und Benzin auszulaufen begann. Er rannte sofort los zum Feuermelder und schlug Alarm. Nur fünf Minuten später erreichten die ersten Feuerwehrautos die Unfallstelle. Eine  wahre Feuersbrunst hatte sich mittlerweile ausgebreitet, umherfliegende schwere Kanaldecken und berstende Fensterscheiben erschwerten die Löscharbeiten. Das auslaufende Benzin lief unter- und oberirdisch durch den Ort, die Kanaldeckel in der Hauptstraße wurden regelrecht weggesprengt, am Ende des Kanals, an der Brücke zum Raselbach, kam es zu einer weiteren Explosion. Innerhalb kurzer Zeit verwandelt sich auch der Raselbach mit der angrenzenden Böschung in ein Flammenmeer. Zwei Tankstellen oberhalb der Böschung waren ebenfalls schwer gefährdet.

Rasch wurden weitere Wehren aus der Umgebung um Hilfe gebeten, sogar die Airbase Spangdahlem entsandte Wagen. Feuerwehren aus Schweich, Wittlich und Trier trafen ein. Die Bewohner der beiden Wohnhäuser entkamen den Flammen wie durch ein Wunder.  Zwei ältere Damen  wurden mit Rauchvergiftungen von Feuerwehrleuten aus dem brennenden Haus gerettet. Die im Nachbarhaus lebende Familie mit vier Kindern konnte mit Abseilen und Sprüngen aus dem Fenster ebenfalls dem Flammenmeer entkommen. Glücklicherweise bliebe es bei insgesamt nur sieben Leichtverletzten und keinen Toten.  Und wie durch ein Wunder gab es keine weiteren Explosionen am Tanklastzug. 

Die zwei zerstörten Häuser und ein angrenzendes Haus wurden nach dieser Katastrophe abgerissen. An deren Stelle befindet sich heute das Feuerwehrhaus der Freiwilligen Feuerwehr Hetzerath. 

Freiwillige Feuerwehr Hetzerath heute: Feuerwehr bleibt gefährlich

Die Brandkatastrophe von 1972 war der wohl  spektakulärste und größte Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr Hetzerath in ihrer bisherigen Geschichte. 27 Feuerwehrleute waren damals im Einsatz. Die 1925 gegründete Feuerwehr gehört heute zu den fünf Stützpunktfeuerwehren der Verbandsgemeinde Wittlich-Land mit 53 aktiven Mitgliedern unter Wehrführer Matthias Mischel. 

Im Laufe der Zeit hat sich das Aufgabenfeld der Feuerwehr erheblich gewandelt. Es fällt weniger Brandbekämpfung an, dafür aber umso mehr technische Einsätze, wie beispielsweise bei Verkehrsunfällen und auch zunehmend Einsätze bei  Extremwetterereignissen wie Hochwasser.  Die  veränderten Einsätze erfordern Anpassungen an Ausrüstung,  Fahrzeuge und Ausbildung, erklärt Wehrleiter Mischel von der Hetzerather Feuerwehr.  Die Einsatzzahlen hätten sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht. Dabei werde es immer schwieriger, einsatzbereite Feuerwehrleute für eine  Tagesalarmbereitschaft vor Ort zu haben. Denn viele Feuerwehrmitglieder arbeiten heute – im Gegensatz zu früher – außerhalb des Wohnortes, haben Schichtdienste etc.. Deshalb freut sich Mischel über jedes Mitglied, das seinen Arbeitsplatz in der Nähe hat. 

Unberechenbar sind die Einsätze der Feuerwehr noch immer. „Die Schutzausrüstung ist zwar besser geworden, aber trotzdem: Feuerwehr bleibt gefährlich“, sagt Mischel. Deshalb seien eine gute Ausbildung sowie eine gute Ausstattung der Feuerwehrleute immens wichtig. Dass auf aktuelle Ereignisse  reagiert wird – insbesondere auf die tragischen Geschehnisse im Ahrtal -, zeige die Anschaffung einer mobilen Warnanlage, die noch gut verpackt, aber bald einsatzbereit im Feuerwehrhaus liegt. Dabei handelt es sich um einen Kugellautsprecher, der am Feuerwehrauto angebracht und als mobile Lösung flexibel und effizient warnen und informieren kann.

Wer sich für eine Mitgliedschaft und die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr Hetzerath interessiert, kann sich via Facebook, Twitter, Instagram oder unter www.feuerwehr-hetzerath.de oder feuerwehr-hetzerath@wit-land.de informieren.

Augenzeugen erinnern sich

Feuer ist wie ein roter Teppich durchs Dorf gerollt

Peter Stoffels hatte als 16-jähriger Bäckerlehrling die Feuerwehr alarmiert. Er arbeitete an dem Morgen des Unglücks in der fast gegenüberliegenden Bäckerei. Aus dem Fenster heraus beobachtete er, wie der Tanklaster umfiel.  „Es roch nach Benzin,  da hat es noch nicht gebrannt. Ich bin dann zum Haus der Familie Steines gelaufen, das lag rund 150 m entfernt in der Hauptstraße, die Brühe (Anmerk. d. Red. Benzin)  ist an mir vorbeigelaufen. Dort habe ich die Sirene gedrückt, bin dann wieder zurückgelaufen, da dann kam mir bereits die erste Stichflamme entgegen.  Sofort war ein Flammenmeer entstanden, das Feuer ist wie ein roter Teppich durchs Dorf gerollt.“ Zum Glück wäre das meiste Benzin in den Kanal gelaufen, sonst hätten  die Häuser alle gebrannt. So flogen auf der Straße im Dorf nur die Kanaldeckel in die Luft. Peter Stoffels erinnert sich noch, dass die Feuerwehr sehr schnell da war. „Das ist eine Erinnerung, die wirst du nicht mehr los.“

Ich machte die Scheunenpforte auf und da hat es auf einmal geknallt

Der heute 93-jährige Otto Thieltges – viele Jahre Feuerwehrmann in Hetzerath – erinnert sich noch gut an den gefährlichen Einsatz. Er war an dem Morgen der Brandkatastrophe bereits wach und befand sich gerade in der Scheune, wollte im Stall nebenan das Vieh füttern. „Ich machte die Scheunenpforte auf und da hat es auf einmal geknallt. Ich schaute die Straße herunter und sah den Anhänger dort liegen. Ich sagte zu meinem Vater, er solle hier beim Vieh bleiben, ich müsste jetzt zur Feuerwehr. Gleich darauf ertönten die Sirenen und Flammen war zu sehen. Es war ziemlich früh am Morgen, ich habe mich dann sofort umgezogen und bin heruntergelaufen. Zunächst konnten wir auch nicht viel machen. Ich habe dann noch geholfen, die alte Frau Näckels und ihre Schwester von hinten durch die Scheune aus dem Haus zu holen. Von vorne war durch das Feuer kein Herauskommen mehr.  Sie wurden dann zunächst bei Nachbarn im Haus untergebracht. Der Tank ist ausgelaufen, der ganze Kanal hat gebrannt, da konnten wir nicht viel machen. Dann kamen später noch andere Feuerwehren mit Schaumlöschern, wir hatten nicht die richtigen Geräte, um einen  solchen  Brand zu löschen.“

9-jährige Martina mit Gipsarm rettet ihren kleinen Bruder aus 4 m Höhe 

Augenzeugin Martina T., damals 9 Jahre alt, kann sich noch gut an das Unglück erinnern. Sie lebte mit drei jüngeren Geschwistern und den Eltern in dem Haus in der Kirchstraße, vor dem der Tanklastzug am frühen Morgen verunglückte. „Wir waren im oberen Stockwerk, noch alle fest am Schlafen. Mein Vater ist von einem lauten Knall wach geworden. Er lief zum Fenster und sah den umgekippten Tanklaster. Dann bemerkte er, dass Benzin ausläuft, das zu brennen begann. Er sah die Flammen und erkannte sofort, dass kein Rauskommen nach unten und nach vorne möglich war. Daraufhin riss er uns alle förmlich aus den Betten. Wir waren noch schlaftrunken, als wir im rückwärtigen Teil vom zweiten Stockwerk des Hauses nach draußen mussten. Damals waren wir gerade am Umbauen. Deshalb befand sich rückwärts eine Seilwinde zum oberen Fenster, um Eimer hoch- und runterzuziehen. Ich bin dann an der Seilwinde nach unten. Dann rief meine Mutter von oben: „Ich muss jetzt den Stefan runterwerfen, fang den auf“.   Martina hatte ihren rechten Arm in Gips und fing dann ohne lange nachzudenken ihren kleinen Bruder auf.  Stefan war erst acht Monate alt und konnte nicht abgeseilt werden. „In einer solchen Situation machst du das einfach, du denkst nicht darüber nach, du handelst einfach. Wir sind so alle aus dem Haus raus, bei meinem Vater riss vermutlich das Seil, meine Eltern sind dann aus vier Metern Höhe runtergesprungen.“

Glücklicherweise kamen alle lebend aus dem Haus, das mittlerweile komplett Feuer gefangen hatte. Die Familie ist dann von hinten in die Zuckergasse geflüchtet. Familie G., die wenige Häuser oberhalb wohnte, nahm sie auf. Diese kleidete alle notdürftig ein, denn „wir hatten nur einen Schlafanzug und ein paar Schlappen an. Dort gab es dann einen heißen Kakao.“

Später ist die Familie, die auf einen Schlag ihr ganzes Hab und Gut verloren hatte, bei Verwandten untergekommen. Beeindruckend findet Martina auch heute noch, 50 Jahre später, die große Spendenbereitschaft der Hetzerather. „Es kamen ganzen viele Spenden seitens der Bewohner aus Hetzerath, alles, was du dir denken kannst, vor allem aber Klamotten und Spielsachen.“

Später mieteten sie eine Wohnung in der Bahnhofstraße, zogen fünf Jahre nach dem Unglück in die Eifel, kamen 1979 wieder zurück nach Hetzerath. Bis heute hat Martina die Geschehnisse von damals nicht vergessen. „Ich träume sogar manchmal von dem Haus in der Bahnhofstraße, dort wo wir untergekommen sind. Irgendwie ist das Ganze immer noch präsent.“ 

Vielen Dank an Monika Traut-Bonato für diesen Zeitungsartikel sowie das Bildmaterial.